Beim Tacheles hatten sich bereits die Prostituierten aufgereiht - Tschechinnen, Deutsche und Polinnen – die schönsten der Stadt.
Julia sah im Computer des Zapata ihre Mails durch. In zwei Stunden würde die Livemusik beginnen, der Klub war etwa halb voll.
Sie hatte zehn neue Mails, doch nur eine bezog sich auf ihre Bewerbungen. Sie hatte ihren CV an eine Galerie für moderne Kunst gemailt, die einen Organisator suchte. Man lud sie für die nächste Woche zum Gespräch ein.
Julia gab Datum und Uhrzeit in den Kalender ihres Handys ein. Sie war schon dabei, den Laptop zu schließen, da überlegte sie es sich anders und googelte noch einmal nach Stefan Neumann.
Wieder nichts.
Seit ihrem letzten Treffen war mehr als ein Jahr vergangen.
An die zehn Minuten verlor sie sich schweigend in seinen blauen Augen.
Sie hörte seine Stimme, ohne die Worte zu erfassen.
Sie wusste, dass er Frau und Kind hatte und mit beiden in der Wohnung im 24. Stock der Wohnungsgenossenschaft Leipziger Straße 41 lebte, nur ein paar Meter von der bulgarischen Botschaft entfernt.
Von der Terrasse, auf der sie vor vier Jahren zum letzten Mal Sex hatten, konnte man den Fernsehturm, den Dom sowie die Spree mit ihren in der Ferne geschrumpften Schiffen sehen, weiter hinten lagen die Museumsinsel, die Staatsoper, der Alexanderplatz, der Checkpoint Charly, das Brandenburger Tor und das Holocaust Denkmal. Praktisch ganz Berlin.
Ihr Berlin.
Zum wievielten Mal war sie hier her zurückgekommen?
Es war das vierte Mal in den letzten vier Jahren.
Vier Jahre, in denen sich keine Möglichkeit für sie ergeben hatte, für immer zu bleiben.
Vier Jahre, ehe sie den griechischen Pass erhielt, obwohl sie in Athen lebte, seit sie 13 war.
Ihre Mutter war zwei Jahre eher aus dem albanischen Korça emigriert.
Sie putzte in den Häusern der reichen Griechen und holte, als sie finanziell auf die Beine gekommen war, ihre beiden Töchter nach.
Nach Athen, in die Stadt, die sie hasste.
Julia wusste, dass sie eines Tages von dort weggehen würde, doch dieser Tag wurde immer wieder verschoben.
Wegen Christo, ihrer ersten Liebe.
Christo war Muslim, doch er hatte seinen Glauben und seinen Namen ablegen müssen, um in Griechenland leben zu dürfen. Er reparierte Autos, man war zufrieden mit ihm, er war eifrig und verlässlich.
Ganze sieben Jahre.
Sieben Jahre ihres Lebens gingen mit Christo dahin.
Sie war 27, als sie „Schluss“ zu ihm sagte.
Christo war bereit, alles für Julia zu tun, alles – selbst zu sterben, nur nicht das Spielen zu lassen. Die Sucht saugte ihn aus und Julia schaffte es nicht, ihn von dort zurückzuholen.
Zurück ins Leben.
Für ein ganzes Jahr fiel sie in ein Loch. Sie konnte an niemanden denken, an nichts.
Sie stöberte ziellos im Internet.
Ein vergeudetes Jahr.
An seinem Ende hatte Julia fünf Kilogramm zugenommen und Christo sah Vaterfreu
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