Julia redete sich ein, dass das Jahr immerhin nicht verloren gewesen sei, wo Christo wieder zu sich zurück gefunden hatte.
Jetzt war es an ihr, zurück zu finden.
Zurück ins Leben.
Stefan und Imre standen am Eingang des Zapata, es war Freitag Abend.
Wie jeden Freitag um diese Zeit platzte der Klub aus allen Nähten.
Julia, die im Rahmen des studentischen Austauschprogramms der Humboldt-Uni in Berlin war, fragte sie, ob sie kurz rein könne, um zu hören, wie die Livemusik sei.
Sie mochte kein Techno und würde nicht bleiben, wenn es den ganzen Abend dieses Gedröhne gäbe.
Es war Rockmusik.
Julia ging zurück und beglich den Eintritt. Sie setzte sich auf den selben Platz, vor dem Computer.
Kurz darauf kam Imre zu ihr, seine Mutter war Ungarin, und fragte, wie alt sie sei.
„Rate!“, entgegnete Julia, über seinen kahlen Kopf und den Bierbauch schmunzelnd.
Ihn schätzte sie auf 35.
„22“, mutmaßte Imre.
„Irgendwo da“, stimmte Julia zu.
„Und was meinst du, wie viele es bei mir sind?“
„35“, sagte Julia.
„Irgendwo da. Ich bin 32“, sagte Imre.
Es begann, sie zu langweilen. Wieder einmal fand sie etwas todlangweilig.
Da tippte plötzlich Stefan an ihre Hand und sagte:
„Lass uns tanzen!“
„Du hattest recht“, sagte er beim Tanzen, „Imre ist 35, er hat bestimmt 32 daraus gemacht, um näher an deine 22 zu kommen, oder wie viele es in Wirklichkeit sind.
„Es sind 27“, sagte sie. „Und wie alt bist du?“, fragte Julia.
Er war ein blonder und recht hellhäutiger Deutscher mit blauen Augen, obendrein aus dem ehemaligen Ostdeutschland.
Julia hatte sich die Deutschen so vorgestellt – wie Stefan, Prinzen aus dem Märchen.
„29“, flüsterte er ihr ins Ohr.
Beide blieben bis zum Schluss auf der Tanzfläche.
Als sie den Klub verließen war es vier. Die erste U-Bahn fuhr in einer Stunde.
Julia hatte im Studentenwohnheim nahe des Lehrter Bahnhof ein Zimmer.
Stefan schlug vor, ihr bis zur ersten Bahn mit seinem Wagen ein Stück von Berlin zu zeigen.
Sie brachen auf in Richtung Mauer.
Kurz bevor sie die Ruinen erreichten, sah Julia ihn an und sagte: „Weißt du was ich will?“
… … …
„Dass du mich küsst!“
Zurück im Leben.
Stefan arbeitete als verdeckter Ermittler bei der Polizei. Sein Aufgabengebiet war die Drogenfahndung im nächtlichen Berlin.
Klubs wie das Tacheles waren Drogennester. Stefan interessierten nicht die Abhängigen, sondern die Händler.
Er war in einem kleinen Dorf in Ostdeutschland aufgewachsen. Als die Mauer fiel schrieb er sich an der Polizeiakademie ein. Er schloss mit Auszeichnung ab und ging auf die Straße. Genauer gesagt auf die nächtlichen Straßen von Berlin.
Frauen gegenüber war er unbeholfen, gutherzig und naiv.
Genau das gefiel Julia an ihm.
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