Er nickte. Beim Feuer Geben schirmte er die kleine Flamme mit der linken Hand ab, wie er es sich während seines Armeedienstes in Bulgarien angewöhnt hatte.
Tjurkan lächelte.
„Man könnte meinen, früher sei es besser gewesen. Die Jungs waren in der Kaserne, die Männer auf den Baustellen und die Frauen – wo sie es für richtig hielten.
„Es war Kommunismus“, sagte er. „und es gab keine Autos.“
„Wenn ich flüchten wollte, meinst du, ein Auto würde dabei nutzen?“
„Ich weiß nicht. Willst du denn?“
„Ich weiß es selbst nicht. Aber ich glaube, ich will.“
„Jeder will, doch es vergeht einem schnell wieder.“
„Da magst du recht haben. Wer weiß, was richtig ist.“
Tjurkan arbeitete als Physiotherapeutin und war überzeugt, dass sie auch im Norden schnell Arbeit finden würde. Sie hatten den Shiraz ausgetrunken, doch von Ataol war noch immer nichts zu sehen.
„Wo steckt bloß Ataol?“, fragte er mit Blick auf seine Uhr, es war 3 Uhr nachmittags.
„Er muss jeden Moment hier sein. Wie immer zu spät. Er kommt bei allem zu spät.“
„Auch bei allen?“
„Wenn alles und alle dasselbe ist, dann ja.“
„Und? Ist es dasselbe?“
„Ich weiß nicht, ich weiß es wirklich nicht. Ich bin einfach durcheinander.“
„Ich bin auch durcheinander“, gestand er ihr.
Ataol Bechramoğlu war der einzige lebende türkische Dichter, der seit zwei Jahren einen Prozess gegen den Premierminister Redzep Erdogan führte. Genauer gesagt hatte der Premierminister den Dichter verklagt. Wegen einer Beleidigung im Rundfunk. Er verlangte so viel Geld von ihm, wie Bechramiğlu in seinem ganzen Leben noch nicht gesehen hatte und auch nie sehen würde. Genauso wenig wie seine Freunde – Tjurkan und Victor.
Für Schriftsteller wie sie war die einzige Alternative zu dieser zermürbenden Realität die Flucht auf die Prinzeninseln vor Istanbul oder an ein paar entlegene Strände bei Izmir, und wenn es ganz schlimm kam der Hafen von Mersin.
Sie stiegen den steilen Boulevard Barbaros hinab zum Kai, der von Fischern und kleinen Booten bevölkert war. Das Marmara Meer glitzerte in der Nachmittagssonne.
Sie setzen sich an den Steinstrand und ließen ihre Blicke in die Ferne schweifen: hinüber zum Leanderturm und den dahinter liegenden Prinzeninseln. Istanbul wirkte wie ein riesiges steinernes Schiff inmitten der, von der glühenden Mittagssonne aufgeheizten Hoffnungen all der Verliebten, die sich am Ufer des Bosporus niedergelassen hatten.
Links wurde die Zufahrt nach Asien von den straffen Tauen der Bosporusbrücke gehalten, rechts lagen das Goldene Horn und die Halbinsel, die Jahrhunderte lang die Geschicke der Welt gelenkt hatte. Die Heilige Sofia, die Blaue Moschee, der Gewürzbasar: die Bauwerke und Aromen der ganzen Welt - all das war an Bord dieser flirrenden steinernen Schiffsschaukel versammelt.
Sie gingen weiter die Uferp
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